Karnevalsspektakel in Schwarz und Weiß
Die beiden kleinen Kanareninseln feiern Karneval mit viel Geschichte und Tradition
Während die großen Kanareninseln zu Samba-Rhythmen und lateinamerikanischen Klängen in großartigen Kostümen und mit zahlreichen Tanzgruppen durch die Straßen ziehen und tanzen, besinnt man sich auf El Hierro und La Palma in den nicht weniger lebensfrohen und bunten Karnevalstagen auf uralte Traditionen und taucht ein in die Geschichte der Inseln.
Die Schafsböcke "Carneros" von Tigaday
Faschingssonntag auf El Hierro. Auf diesen Tag haben sie sehnsüchtig gewartet: Etwa 30 junge Männer und Jugendliche, die sich in einem Haus am Rand von Tigaday im Gemeindebezirk La Frontera im Westen der Insel versammelt haben und sich von älteren Dorfbewohnern beim Anlegen der Masken und Felle helfen lassen. Den meisten der „Kostüme“ sieht man ihre Jahre an und auch der Geruch, der von den Schaf- und Hammelpelzen ausgeht, ist nicht der beste. Einige Stunden dauert es bis alle Felle und Masken angelegt, die Glockenschellen umgebunden und sich die jungen Männer in furchteinflößende Gestalten verwandelt haben.

Keiner soll schließlich mehr erkennen können, wer hinter der Maske steckt. Neben den riesigen Hammelfiguren, den Carneros, spielen nicht minder angsteinjagende Hirten „Pastores“ und besonders „El Loco“, ihr Anführer, eine Rolle in dem Karnevalsspektakel, das sich am Karnevalssonntag und –dienstag in den Straßen von Tigaday entfaltet. Sie sorgen mit rasselnden Ketten für den Lärm und treiben ihre „Herde“ immer wieder an.
Mittlerweile hat sich in der Ortsmitte eine schaulustige Menge an kleinen und großen Zuschauern und Karnevalsfans versammelt. Es herrscht gespannte Stille, unterbrochen vom Gekicher einiger der jungen Mädchen und Kinder, bevor der Lärm beginnt. Am Ende der Hauptstraße ertönt ein Rasseln und das Geläute der Glocken. Und dann tauchen sie auf und stürmen heran, die gruseligen Gesellen unter ihren Hammelfellen und Schafpelzen, mit monsterhaften Pelzgesichtern und Hörnern, Fell-Gamaschen an den Händen und Füßen, die Arme und Beine pechschwarz. Mit Getöse gehen sie zunächst aufeinander los, rammen sich, stoßen sich und verfolgen in der Dorfmitte angekommen, schließlich Jung und Alt am Straßenrand. Schreiend und lachend rennen die Verfolgten davon und es beginnt ein wildes Durcheinander. Wer nicht aufpasst und sich erwischen lässt, trägt ganz schnell ein pechschwarzes Gesicht, schwarze Arme und Beine davon, ja die gesamte Kleidung wird vollgeschmiert mit schwarzer Schuhcreme.
Stundenlang dauert dieses Treiben in den Straßen und zwischendurch flüchtet man in eine der Bars, um sich kurz darauf wieder in die Menge zu stürzen.
Die Tradition der Carneros unterscheidet den Karneval auf El Hierro von allen anderen Faschingsspektakeln der Kanarischen Inseln. Eine uralte Tradition, von der niemand genau sagen kann, woher sie stammt und wann sie zum ersten Mal auf der Insel auftauchte. Vermutet wird, dass sie zurückgeht auf alte Fruchtbarkeitsriten und Dämonen- und Hexenglauben. Benito Padrón, ein ehemaliger Einwohner von La Frontera und sein Sohn Ramón erweckten sie nach dem Bürgerkrieg zu neuem Leben. Heute müssen die jugendlichen „Schafböcke“ mehr als 18 Jahre alt und recht sportlich sein, denn die zahlreichen Felle und Masken, die sie – meist stundenlang – tragen, wiegen nicht weniger als zwischen 20 und 40 Kilogramm. Und man rennt viele Stunden in ihnen durch die Straßen bei dem sportlichen Spektakel, bei dem eigentlich alle in ständiger Bewegung sind, ob Zuschauer oder „carnero“.
Beim Einsetzen der Dämmerung nimmt das Spektakel in Frontera ein Ende mit einem letzten fulminanten Ansturm der noch immer nicht müde scheinenden „Carneros“. Und wer bisher noch nicht mit schwarzer Farbe gezeichnet ist, wird es sicher jetzt sein, damit man beim Nachhausegehen auch sicher sieht, dass man bei dem unvergesslichen Spektakel dabei gewesen und nicht ungeschoren davon gekommen ist.

El Hierro - Ein Wanderparadies zum Entspannen
Wer El Hierro, ein herrliches, noch immer unbekanntes Naturparadies zum Wandern und Entspannen, nicht an Karneval besucht, kann trotzdem einen Blick auf die „Carneros“ werfen, die als steinernes Denkmal auf der Plaza Nueva oder auch Plaza de Benito Padrón von Frontera stehen.

Aber El Hierro ist nicht nur am Karneval eine Reise wert. Die kleinste und mit gerade mal einem Alter von 1 Million Jahren jüngste Kanareninsel begeistert ihre Besucher vor allem durch ihre Ruhe und die unterschiedlichsten Landschaften. Einerseits ist da die dunkle Vulkanerde und der Eindruck einer Urlandschaft, an die die Wellen des Atlantiks unaufhörlich schlagen. Andererseits grüne Wiesen, auf denen Kühe weiden, sodass man sich manches Mal in Irland wähnt. Und dann die Hochebenen mit ihren zahlreichen charakteristischen, vom Wind schief geformten Wacholderbäume, Sabinas, wie sie hier heißen. Eine fruchtbare kleine Insel, auf deren Böden Ananas, Papaya, Mango und Trauben wachsen, aus denen die Einwohner wunderbare Weine zaubern.

Ganz in Weiß: Der Tag der „Indianos“ auf La Palma
Während geschwärzte Gesichter, Arme und Beine die Besucher des Karnevalsspektakels der „Carneros“ auf El Hierro charakterisieren, verlässt man den Rosenmontag in Santa Cruz de La Palma garantiert über und über bestreut mit weißem Talkpulver.
Ein blendendes Weiß ist die Farbe, die das berühmteste Karnevalstreiben auf der kleinen Nachbarinsel El Hierros, dem grünen La Palma beherrscht. Hier erinnert man sich seiner Geschichte und der Vorfahren, die einst auszogen in die Neue Welt, vor allem nach Kuba und Venezuela in die Karibik, um dort ihr Glück zu machen. Und die dann wiederkamen in die Heimat, mit prall gefüllten Koffern und Kisten, mit Panamahut, in die weißen Anzüge von kubanischen "Señores“ gekleidet. Diejenigen, die die bis heute gepflegte Tradition des Zigarrendrehens nach La Palma brachten, und die ihrer alten Heimat einen Hauch der fernen Karibik verliehen.

Nicht selten befanden sich in ihrem Gefolge Einheimische von der Karibikinsel, die ihnen als Dienstmädchen und Haushaltsgehilfen auch in der Heimat dienen sollten. An sie erinnert die über alles verehrte Hauptfigur des Karnevals von La Palma, „La Negra Tomasa“, die „schwarze Tomasa“.
Der Rosenmontag beginnt mit einem Spaziergang durch die Straßen der hübschen kleinen Inselhauptstadt Santa Cruz. Langsam füllt sie sich mit Besuchern, die in den zahlreichen Läden noch schnell ihre weiße Jeans und das blütenweiße T-Shirt oder den weißen Rock mit einem netten Accessoire aufpeppen wollen. Vielleicht eine hübsche Bluse, ein außergewöhnlicher Schal oder eventuell findet sich sogar noch ein Panamahut? Dazwischen bleibt Zeit die vielen elegant gekleideten Einwohner La Palmas zu bewundern, in ihren schönen weißen Kleidern mit Rüschen und Volants, aufwendig behängt mit buntem Schmuck. Am Arm von Männern in weißen Anzügen, Zigarrenrauchend und langsam durch die Straßen schlendernd. Mit Kinderwagen aus einer anderen Zeit, in denen ihre Kinder sitzen, ebenfalls in weißen Kleidchen mit bunten Schleifen im Haar.

Alles ist in festlicher Stimmung und alle begeben sich Richtung Kathedrale und Rathaus an die Plaza España, den Hauptplatz der Stadt. Hier begrüßt man sich, stößt mit seinem Mojito an und bewegt sich im Rhythmus kubanischer Klänge, eine riesige, lebensfrohe Woge in Weiß, eingehüllt in einen Nebel von Talk unter Palmen und dem strahlendblauen Himmel.
Und dann erscheint sie, der „Star“ des Festes, die „Negra Tomasa“, die mit einem Boot ankommend, schon im Hafen von einer Menge feiernder „Indianos“ begrüßt worden war. In einem knallbunten Rüschenkleid mit einer riesigen Schleife auf dem Kopf tanzt "sie", die seit Jahren von "Soso", einem einheimischen älteren Mann der Insel verkörpert wird, mit voluminöser Figur und schwungvollen Hüften die Stufen zur Plaza hinunter und begrüßt ihr Publikum, das sie frenetisch feiert und willkommen heißt.
Aber der Tag der Indianos in Santa Cruz de La Palma ist damit noch lange nicht zu Ende. Am Nachmittag, um 17.00 Uhr geht es zurück an den Hafen und man reiht sich auf an den Straßen, um den großen Umzug der zurückgekehrten „Indianos“ zu bewundern, die nun mit Kind und Kegel, weißen Sonnenschirmen, Papageien, Unmengen von Koffern und Kisten auf La Palma, ihrer alten Heimat „Einzug halten“.
Und danach wird natürlich bis tief in die Nacht in den Straßen gefeiert und getanzt. Und spätestens jetzt hat sich jeder an das feine weiße Puder in der Luft, dass sich überall im Gesicht, an den Haaren und am Körper verteilt hat, gewöhnt.

Die Termine für die Karnevalsspektakel der Carneros auf El Hierro am Karnevalssonntag und –dienstag und auf La Palma am Karnevalsmontag fallen im kommenden Jahr auf den 23. bis 25. Februar 2020.
Informationen La Palma unter https://www.visitlapalma.es/de/fiestas/carnaval/ und El Hierro unter: https://elhierro.travel/de/information/veranstaltungskalender/