Urwald, Schluchten, Felsen und Vulkane
Die Landschaftsvielfalt der kanarischen Nationalparks (Teil I)
Zurück zur Natur. Was sich schon seit einigen Jahren als steigender Trend bei den Urlaubsaktivitäten abzeichnete, wird jetzt in Zeiten von Covid-19 zum Garanten für sicheres und nachhaltiges Reisen. Wandern, Bergsteigen, Klettern, Fahrradtouren und sämtliche Aktivitäten im Freien sind zunehmend gefragt.
Die sonnenverwöhnten Kanarischen Inseln, seit vielen Jahren beliebtes Reiseziel der Deutschen gerade im Winter, bieten ausreichend Gelegenheit dazu und zeichnen sich insbesondere durch ihre landschaftliche Vielfalt aus. Biosphärenreservate, Naturparks und vier, von der UNESCO ausgezeichnete Nationalparks verwöhnen Naturliebhaber und Aktivurlauber. Wir stellen Ihnen in dieser und der nächsten Ausgabe unserer Informationen aus Spanien die Schönheit der vier kanarischen Nationalparks vor.
Der Teide Nationalpark – Auf dem Gipfel Spaniens
Er ist der König der spanischen Berge. Weit draußen im Atlantik und ein Vulkan überragt er mit 3.718 Metern die höchsten Gipfel des Festlandes. Wer den Teide erklimmen möchte, muss nicht unbedingt ein alpiner Gipfelstürmer sein, benötigt aber eine spezielle Erlaubnis, die vorher im Internet beantragt werden kann. Verschiedene Agenturen bieten die Tour auf den Teide inklusive Erlaubnis auch direkt an. Und dann geht es entweder per Seilbahn bis auf 3.555 Meter und dann zu Fuß die letzten knapp 200 anstrengenden Meter zum Gipfel über dem Meer der Passatwolken.
Oder man nimmt die gesamte Tour per Pedes auf dem historischen rund 8 Kilometer langen Wanderweg von Montaña Blanca auf 2.320 Meter Höhe aus in Angriff und übernachtet oder rastet in der Berghütte Altavista. Eine Tour zum Sonnenaufgang beispielsweise ist etwas ganz besonderes und bleibt garantiert ein unvergessliches Erlebnis. Ist man bereits vor 9.00 Uhr wieder zurück in der Hütte, benötigt man keine Genehmigung für den Aufstieg.

Wenn man dann nach dem, doch etwas Kondition erforderlichen Aufstieg über die steinige, schroffe und staubtrockene Vulkanerde, die sich in allen Farben von rötlich-braun bis gelb und fast weiß präsentiert, auf dem Gipfel steht, macht der Ausblick nach unten sprachlos. Da liegt der riesige, mehr als 3 Millionen Jahre alte Vulkankessel der Cañadas, ein weites Lavafeld aus Vulkankegeln, Gesteinsbrocken, Felsen und versteinerten Lavaflüssen und Schloten, aus dessen Mitte sich der Teide als ein in mehreren Eruptionen entstandener Schichtvulkan, erhebt. Die Vielfalt der Gesteine und Mineralien sorgt im Teide-Nationalpark für dieses unglaubliche Farbenspiel aus Ockertönen. Der bunte Sand aus dem Park wird alljährlich für die Sandteppiche zum legendären Fronleichnamsfest von La Orotava genutzt.

Leuchtende Farbtupfer in dieser traumhaften, unwirklichen Gegend, die 1954 zum Nationalpark und 2007 von der UNESCO zum Weltnaturerbe deklariert wurde, sind die zahlreichen Pflanzen im Park. Denn die auf den ersten Blick so unfruchtbar wirkende Vulkanerde, straft dieser Annahme aufgrund ihres reichen Mineraliengehalts Lügen. Allen voran das lila Teide-Veilchen, das sich hier zahlreich findet, der knallrote bis zu drei Meter hohe kerzenförmige Natterkopf, der weiß und rosa blühende Teide-Ginster und der leuchtend-gelbe Drüsenginster. Um die 168 verschiedene Pflanzenarten sprießen im Teide-Nationalpark.
Wer sich besonders für Flora und Fauna interessiert, kann sich auf den gut fünf Kilometer langen Rundwanderweg La Fortaleza machen. Insbesondere die Insekten und Reptilienarten, wie die Kanaren-Eidechse oder der kleine Kanaren-Gecko sind dabei mit etwas Glück zu entdecken. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen Vogelarten, charakteristisch sind der blaue Teidefink und die majestätischen Turmfalken.

Insgesamt laden 41 gut beschilderte Routen im Park zu Wanderungen ein, über die man sich im Besucherzentrum Cañada Blanca informieren kann. Von hier gibt es auch geführte Touren mit Experten. Dann hat man den Vorteil, auch auf die eher versteckten geomorphologischen Beispiele wie Höhlen oder Schlote aufmerksam gemacht zu werden und man erhält einen Einblick in Bedeutung des Gebietes für die Wissenschaft (Information: https://www.webtenerife.de/besucherattraktionen/teide-nationalpark).
Wenn man das Glück hat, an einem wolkenlosen Tag auf dem Gipfel zu stehen, fällt der Blick unweigerlich über den Ozean und auf die Nachbarinseln Gran Canaria, El Hierro, La Gomera und La Palma.
Und hierher, zur letztgenannten Insel führt unser nächster Ausflug.

Ein Tag im grünen, felsigen Herzen der „Isla Bonita“ La Palma
Ein riesiger Krater von 28 Kilometern Umfang, 10 Kilometern Durchmesser an seiner breitesten Stelle und 1.500 Metern Tiefe bildet das Herz der grünen Insel La Palma, die sich gerne als „Isla Bonita“, „Schöne Insel“ bezeichnet. Umgeben wird dieser Kessel von den beeindruckenden Gebirgslandschaften La Palmas mit ihrer höchsten Erhebung, dem Roque de Los Muchachos mit 2.426 Metern. Hier, ganz oben, über dem Meer der Passatwolken, befindet sich ein Teil der wichtigsten Sternwarten Europas. Schluchten, Wasserfälle, grüne Kiefernwälder liegen zu Füssen der herrlichen Berglandschaft, durch die sich, einzigartig für die Kanaren, sprudelnde Bäche ziehen.
Wir stehen am Rand der berühmtesten Schlucht von La Palma, dem Barranco de las Angustias, Schlucht der Todesängste, und blicken hinunter in die Tiefe, gänzlich ohne Angst, aber mit Respekt und Faszination vor dieser überwältigenden Natur. Von hier startet die große Rundwanderung durch die Caldera de Taburiente, die seit 1954 Nationalpark ist, genau wie der Teide-Nationalpark auf der großen Nachbarinsel Teneriffa. Durch den sattgrünen Kiefernwald führt der Weg steil hinunter Richtung Schlucht. Zum großen Teil ist er zunächst mit einem Holzgeländer befestigt. Die Sonne scheint warm und lässt den Duft der Kiefernnadeln umso intensiver wirken. Da heißt es tief einatmen und mit allen Sinnen die Natur genießen.

Über Holzbrücken und den weichen, mit Kiefernnadeln bedeckten Boden laufen wir weiter zum Barranco de Cimpiés. Der Blick geht hinauf zu den steilen Wänden und Felsnadeln, die die Schluchten hier umrunden. Der Weg wird schmaler und verläuft nahe am mit den typischen Kanarenkiefern bestandenen Abhang. Lichte Stellen und dichter Wald wechseln einander ab.

Ab und an entdecken wir den ein oder anderen Bewohner dieses Naturparadieses am Wegrand. An die 739 Unterarten wirbelloser Tiere soll es hier geben. Unter anderem der Kanarische Tausendfüßler, der mit 20 cm eine stattliche Länge erreicht. Von den Vögeln fällt vor allem die Alpenkrähe durch ihre charakteristischen Laute auf. Der kleine blaue Kanarenbuchfink versteckt sich zwischen den Bäumen und der Turmfalke zieht über den höheren Bergen seine Runden.

Außer der Kanarenkiefer, die den Baumbestand des riesigen Kessels der Caldera bestimmt, sieht man die ein oder andere Feigenkaktee, Zistrosen und weitere, für die Kanaren typischen Dickblattgewächse. Und ab und an geht es vorbei an meterhohem Farn.

Im Barranco de las Piedras Redondas, der „Schlucht der Runden Steine“, säumen riesige Felsbrocken den Weg. Die Bachläufe führen momentan kaum Wasser, obwohl La Palma die einzige Kanareninsel mit sprudelnden Bächen und Wasserfällen ist, die man bewundern kann. Nach gut einer Stunde erreichen wir den Aussichtspunkt Mirador de Lomo del Tagasaste, der wieder einmal den Blick in die Schlucht der Todesängste freigibt und auf den „Altar“ der Ureinwohner, den Felsmonolithen Idafe. Hier huldigten die Ureinwohner einst ihrem Gott ABORA, stellte der schlanke, bizarre Monolith für sie eine Verbindung zwischen Himmel und Erde dar. Er entstand als fester Kern durch erkaltetes Gestein im Inneren eines Vulkanschlots, dessen Äusseres nach und nach durch die Erosion von Wind und Wasser abgetragen wurde.
Weiter geht es hinab zum sprudelnden Taburiente-Bach, am dem sich ein Campingplatz befindet, wo man nach vorheriger Genehmigung des Besucherzentrums bis zu 3 Nächte verbringen kann. Nach der Erfrischung und Rast an der sogenannten Playa del Taburiente führt der Wanderweg wieder in Serpentinen bergauf durch eine herrliche, grüne Berglandschaft mit weiten Blicken auf die wunderbare Natur La Palmas und des Nationalparks.

Den strahlendblauen Himmel über uns erreichen wir den Barranco Rivanceras, wo uns ein durch Eisenhydroxid golden schimmernder Bachlauf zur „Cascada de Colores“, dem „Wasserfall der Farben“ führt. Bei diesem Wunder handelt es sich um eine im Jahr 2005 angelegte Staumauer, die uns jetzt in bunten Farben entgegenleuchtet: gelb, grün bis zu tiefem Rot, was dem schwefelhaltigen Wasser, Algen und dem vorab genannten Eisenhydroxid zu verdanken ist.
Dem Barranco Rivanceras talauswärts weiterfolgend durch eine imposante Felsenlandschaft und an beeindruckenden, versteinerten Lavaströmen vorbei, erreichen wir schließlich den legendären Barranco de las Angustias, die gewaltige Schlucht der Todesängste, und ein unvergesslicher Wandertag im Nationalpark Caldera de Taburiente geht zu Ende.

Weitere Informationen:
In der letzten Ausgabe dieses Jahres, im Dezember entführen wir Sie nach La Gomera in die mystischen „Urwälder“ des Garajonay-Nationalparks und in die faszinierende Vulkanlandschaft des Timanfaya-Nationalparks auf Lanzarote.